Die freie Auswahl (Teil 3)

So wandten wir uns nun den Schießbuden zu. Inzwischen waren wir vier Freunde. Zu Gerhard und mir waren noch der Alwin und der Günter gestoßen. Dies hatte einen verheerenden Einfluss auf meine Barschaft. Denn zwischen vier Leuten sprudeln nur so die Ideen, was man alles machen könnte. Nach dem Kauf einiger gebrannter Mandeln, dem Verzicht auf die sündhaft teuren Autoskooter, auf die wir Kleinen sowieso nicht "drauf" durften und dem Erwerb eines Lebkuchenherzens für meine Mutter, blieben mir nur noch 3 Schuss auf die Tonröhrchen, in die oben Rosen, kleine Teddys, Schornsteinfeger, Luftballons oder Vogelstimmen- Membranen aufgesteckt waren.
Man muss dazu bemerken, dass wir im Hause meiner Großeltern mit einem Luftgewehr schießen gelernt hatten. Als sparsames Kerlchen hätte ich sonst kein Geld fürs Schießen ausgegeben. So aber traute ich mir zu, für mein gutes Geld die schönste Rose unter den übrigen Wunschträumen herunter zu holen. Drei Schuss hatte ich. Die Rose steckte in zwei Röhrchen: "Das ist leicht!", dachte ich.
"Petsch", machte das Gewehr. Es klatschte irgendwo hinter der Bühne, wo die netten Wünsche zur Realität geronnen waren. Mir allerdings zerplatzte einer der Träume. Die Waffe schoss nur ungefähr dorthin, wohin Kimme und Korn zeigten.
Dem verhallenden Klatschen der Kugel nach zu urteilen, schoss die Waffe zu weit nach rechts und zu weit nach unten.
"Petsch", Schuss Nummer Zwei "saß". Eines der Tonröhrchen rieselte als Splitter und Staub auf die Bretter der Schießbude. Der grün gestrichene Haltedraht konnte sich nur ungefähr im Grün der Dekoration im Hintergrund verstecken. Wenn man nicht genau hinsah, dann verschwamm er mit dem Hintergrund. Die Rose meiner Wünsche schwebte eingesteckt in ein ebenfalls frei schwebendes Tonröhrchen. Die anvisierte Rose schaute keck etwas nach links. Nach meinem Gefühl musste ich jetzt die Rose erschießen, wenn ich ihr Halteröhrchen treffen wollte. "Etwas nach links! - Etwas nach oben! - Verdammt!", das Gewehr zog meine Kinderarme nach unten. Das Korn hinter der Kimme wackelte und schwankte hin und her.
Wieder hatte ich abgedrückt: "Petsch" - und wieder rieselten Splitter und Staub nach unten. Die Rose neigte sich zur Seite. Doch zu meiner grenzenlosen Enttäuschung blieb sie in einem kleinen, unregelmäßig abgesplitterten Stück des ursprünglichen Tonröhrchens hängen. "Das gilt aber nicht!" stellte der Schießbudenbesitzer sachlich fest. Dann rief er mit schweifendem Blick in die Menge: "Der nächste bitte! Ein Schuss 20 Pfennige, drei Schuss nur 50 Pfennige". Ich hatte nur noch einen Groschen. Damit war zumindest mein kleiner Traum zu Ende.

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