Zeitlose Liebe (3)

Nach etwa fünfzig mühsamen Schritten senkte sich der Boden zum Hang, und ich suchte meinen Weg in gemächlicher Schräglage. Oben rauschten die Baumkronen, aber am Boden war es angenehm windstill. Nur einige Blätter tuschelten und verrieten so die Anwesenheit eines lauen Luftzuges. Das Unterholz gab sich alle Mühe, den einsamen Wanderer zurück zu halten. Aber es nützte ihm nichts, also gab es plötzlich allen Widerstand auf - ich stand auf einem Weg. Er begann hier im Nirgendwo und führte mich unversehens und leichten Schrittes weiter talwärts. Anscheinend wurde er öfters begangen, denn kein Unterholz versperrte den Weg, und keine Zweige peitschten mir ins Gesicht. Man konnte aufrecht gehen! Die Richtung stimmte, und so folgte ich diesem Weg mit leichtem Schritt.

Eine Reihe von Biegungen später meldete sich der Bach aus dem Talgrund mit leisem Gurgeln und Plätschern. Weit weg konnte das Ende des Hanges nicht mehr sein! Irgendwo zwischen den Stämmen schimmerten Teile eines Holzdaches empor - meistens ein sicheres Zeichen, dass die Zivilisation wieder beginnt. Aber leider hörte der Weg einfach auf. So, wie er oben begonnen hatte. Eine undurchdringliche Dornen-Hecke mochte Kaninchen und Mäuse durchlassen, aber keinen erwachsenen Mann!

Notgedrungen wandte ich mich nach rechts hangabwärts; denn meine durch den Wein etwas müde geworden Beine wollten nicht mehr nach oben. So kletterte ich etwa 50 Meter durch dichtes, gleichwohl nicht undurchdringliches Unterholz. Und wieder einmal an diesem Tage schlugen mir Zweige ins Gesicht.

Das Haus

Doch endlich war es geschafft. Die Hecke endete und ich konnte ihr unteres Ende umrunden. Was ich erblickte, ließ mich staunen.

Hier stand ein Häuschen aus Holz, mit hölzernem Dach, nur ebenerdig, zwei Zimmer vielleicht, drei winzige Fenster und eine Tür. In den Fenstern hingen weiße Vorhänge nach rechts und links leicht gerafft, so dass sie sich bauschten. Ein kleines Dreieck gestattete den Blick ins Innere. Aus meiner Entfernung glaubte ich dort eine Bewegung wahrzunehmen.

Es ist sonst nicht meine Art, irgendwelche Leute zu belästigen. Aber ich stiefelte wieder den Hang aufwärts, angezogen durch die Anmut des Häuschens. Die letzten Sonnenstrahlen leckten über die Patina der alten Holzwände. Auf dem freien Platz vor dem Haus stand ein schwerer hölzerner Tisch mit zwei Bänken, eine an der Wand und eine mit der Lehne zu mir hin. Ich entschuldigte mein Eindringen in dieses friedliche und einladende Fleckchen Erde damit, dass ich mich nur kurz auf eine der Bänke nieder lassen werde, um mich für die weitere Wanderung auszuruhen.

Ich hatte die Lichtung vor dem Häuschen kaum erreicht, als der Gesang einer Frau mein Ohr streichelte. Zugleich sandte die Abendsonne ihre goldroten Strahlen auf die Szene und hüllte meine Sinne ein.

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